Long-Ma, ein Pferd mit Drachenschuppen aus der chinesischen Mythologie, musste für die offiziellen Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen China und Frankreich, die im Oktober 2014 im Olympiastadion in Peking stattfanden, zum Leben erweckt werden. Obwohl für die Realisierung nur 12 Monate zur Verfügung standen, stellte sich DINTEC, ein etablierter Systemintegrator für elektrische Antriebe und Hybridanwendungen, der Herausforderung, das Drachenpferd Long-Ma in Bewegung zu setzen.
Im Oktober 2013 trat die Firma „Compagnie La Machine“ (www.lamachine.fr) an ihren Partner DINTEC mit der Anfrage heran, ein gigantisches Drachenpferd anzutreiben. Das Drachenpferd sollte die Figur Long-Ma symbolisieren, ein fabelhaftes, geflügeltes Pferd mit Drachenschuppen aus der chinesischen Mythologie. Nach ersten Diskussionen war man sich sehr schnell der Tatsache bewusst, dass dies ein wirklich einzigartiges Projekt werden würde. Da Long-Ma innerhalb von 12 Monaten zum Leben erweckt werden und zudem noch die Hauptfigur bei den Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen China und Frankreich sein sollte, war der Druck auf das DINTEC-Team enorm. Aber aufgrund der Erfahrungen als Integrator aus dem Bereich von Off-Highway-Applikationen nahm DINTEC die Herausforderung an und bekam die Verantwortung für das komplette Strom- und Antriebssystem. Die Leidenschaft für mobile Maschinen und für den Unterhaltungswert, die die Figuren von „Compagnie La Machine“ boten, erlaubten es DINTEC, das System für Energieerzeugung, -speicherung und –verteilung sowie die Steuerungssysteme und die dazugehörigen Sensoren zu realisieren. DINTEC formte ein Team aus Ingenieuren verschiedener Fachrichtungen, die damit begannen, den Energiehaushalt des Drachenpferdes zu analysieren und nachzuvollziehen. Dabei mussten insbesondere die beiden Betriebsmodi – hybrid oder vollelektrisch für 45 Minuten – berücksichtigt werden. Nach mehr als 1.800 Stunden an Ingenieursarbeit war die Architektur für den Hybridantrieb im Detail fertiggestellt [s. Bild1], die Software für das Energiemanagement war geschrieben und wurde ersten Tests unterzogen. Somit konnte bereits 7 Monate nach Projektstart ein Prototyp des Systems in der Werkstatt von DINTEC in Betrieb genommen werden.
Der diesel-elektrische Generator
Um das 620 VDC-Netz von Long-Ma zu versorgen, entwickelte DINTEC einen maßgeschneiderten Generator, der durch einen Perkins 6-Zylinder Motor angetrieben wurde. Dieser Motor entspricht bereits den Tier 4 Interim Regularien für geringste Emissionen. Der Dieselmotor ist an die powerMELA 140 kW E-Maschine von Sensor-Technik Wiedemann (STW) gekoppelt. Die powerMELA E-Maschine erlaubt aufgrund ihres integrierten Inverters einen Vier-Quadranten Betrieb und arbeitet hier als Generator. Das System läuft aufgrund des variablen Energiebedarfs mit unterschiedlichen Drehzahlen und bietet dabei aufgrund hoher Effizienz geringsten Kraftstoffverbrauch im Vergleich zu anderen Aggregaten. Große Anstrengungen wurden unternommen, um die Aggregate hinsichtlich Geräuschentwicklung abzuschirmen [s. Bild 2]. Selbst wenn der Dieselmotor anspringt, verhindert die ausgeklügelte Dämpfung nach außen hörbarer Geräusche.
Elektrischer Generator und Motoren
Die elektrischen Hauptverbraucher sind zwei STW-powerMELA 140kW E-Maschinen, die nun als Motoren arbeiten. Sie liefern die Energie für alle Bewegungen von Long-Ma - vom Kopf mit den beweglichen Augen über den gesamten Körper bis zu den Beinen - und betreiben das hydrostatische Getriebe ebenso wie das Steuersystem. Ein Brems-Chopper wurde dem DC-System hinzugefügt, um Überspannungen bei möglichen abrupten Bremsvorgängen abzufangen. Dieser Brems-Chopper ist mit einem Messsystem ausgestattet, das kontinuierlich die Isolierung zwischen dem DC-Bus und dem Chassis überwacht. Denn ein Kurzschluss in diesem System könnte für die Bediener von Long-Ma lebensgefährlich sein. Des Weiteren sind alle elektrischen Komponenten wie Batterien, Motoren, Generatoren oder Inverter an den DC-Bus über kleine Schaltkasten angeschlossen.
Darüber hinaus benötigt Long-Ma zusätzliche Spannungsnetze, für die DINTEC geeignete Lösungen realisierte. Abgeleitet vom 620 VDC-Netz erzeugen Inverter und Filter eine dreiphasige 400 VAC Spannung mit einer Frequenz von 50Hz, mit der Luftkompressoren und Wasserpumpen versorgt werden. Ebenso wird eine 230 VAC / 50Hz Spannung für kleinere Wechselspannungsmotoren, Lichter und das Musiksystem generiert. Ein DC/DC-Konverter transformiert die 620 V zudem auf 30 V, womit Ventilatoren, die Steuerungen und weitere Lichter betrieben werden.
Energiespeicherung
Nach einem detaillierten Vergleich verschiedener Technologien, bei dem die Betriebszyklen der Maschine, die erwartete Lebensdauer und die Einschränkungen hinsichtlich Nutzung und Verfügbarkeit in Erwägung gezogen wurden, entschloss sich DINTEC für den Einsatz von Sodium-Nickel-Batterien. Diese zeichnen sich durch hohe Leistungs- und Energiedichte aus. Für das 620 VDC-Netz wurden 5 Sätze mit jeweils 23,56 kWh eingesetzt, die zusammen 1.000 kg wiegen. Jeder Batteriesatz besitzt dabei sein eigenes Kühlsystem. Die Batterien können sowohl aus dem 620 VDC-Netz als auch direkt vom diesel-elektrischen Generator geladen werden.
Elektronik
Um ein Geschöpf dieser Größe sanft und auch realistisch zu animieren, werden über 50 Geschwindigkeits- und Positionssteuerungen benötigt. Diese betreffen den Kopf, den Körper, die Beine und die Vorwärtsbewegung mittels hydraulischen Antriebs. Zu diesen Funktionen kommen 24 Bediengeräte wie Displays, Joysticks oder Tastaturen sowie mehr als 200 Sensoren hinzu. Um all dies miteinander zu verbinden, definierte DINTEC ein komplexes Netzwerk aus 16 Steuerungen, die untereinander und mit der Peripherie über 17 CAN-Busse kommunizieren.
Als zentrale Steuereinheit wurde die STW-Steuerung ESX-3XL ausgewählt. Sie stellt das Gehirn des ganzen Systems dar, kann bis zu 124 Ein- und Ausgänge ansteuern und verfügt über genügend Prozessorleistung und Speicher, um die komplexe Applikation sicher abarbeiten zu können. Die Aufgabe der Richtungssteuerung und des Vorwärtsantriebs des gesamten Chassis übernimmt dezentral die STW-ESX-C Steuerung. Eine weitere ESX-C wird für die Abarbeitung der Algorithmen für das Energiemanagement genutzt. Dabei wird kontinuierlich die Erzeugung elektrischer Energie an die Bedarfe der Maschine angepasst. Zu berücksichtigen ist, dass alle Bewegungen auch mit der richtigen Geschwindigkeit ausgeführt werden können. Zwei-STW ESX-IOX und elf ESX-IOXp erweitern das dezentrale E/A Steuerungssystem für die hydraulische Bewegungskontrolle von Kopf, Augen und Beinen. Für die Abstimmung der Bewegungen wurde von DINTEC eine effiziente Kommunikation über CAN-Bus implementiert. Auch Diagnose, Wartung und Software Updates sind über den DINTEC Webserver und entsprechende Mobilfunkanbindung von Long-Ma möglich.
Das Ergebnis
Nach intensiven Tests in Nantes, Frankreich, bestand Long-Ma alle Prüfungen und Zulassungen. Diese waren durch den TÜV Belgien durchgeführt worden, der auf außergewöhnliche Anwendungen spezialisiert ist. Long-Ma verließ Nantes im September 2014 an Bord einer Antonov 124, um am nächsten Tag in Peking, China, zu landen. Dort wurde Long-Ma wieder zusammen gebaut und zunächst über mehrere Tage weiteren Tests unterzogen. Zudem mussten die Bediener geschult werden und für ihren Auftritt üben. Über drei Tage hinweg begeisterte Long-Ma schließlich das chinesische Publikum, bei dem es unvergessliche Erinnerungen zurück ließ. Im Juni 2015 wurde Long-Ma dann für einige Vorstellungen nach Nantes zurück gebracht. Nach deren Beendigung wird Long-Ma als Teil eines größeren Projektes in China ihren endgültigen Platz finden.
Sowohl DINTEC als Systemintegrator, als auch STW als Hersteller der Steuerungen, des Generators und Motors, sind stolz darauf, zum Erfolg eines Projektes dieser Größenordnung beigetragen zu haben. Die Freude war natürlich besonders groß, als der Gigant zunächst zum ersten Mal zum Leben erweckt wurde und er anschließend bei den Jubiläumsfeierlichkeiten seinen vielbeachteten, erfolgreichen Auftritt absolvierte. Nur aufgrund der guten, langjährigen Beziehung zwischen DINTEC und STW und dem damit einhergehenden Informationsaustausch konnte dieses Projekt innerhalb von nur 12 Monaten mit all seinen technischen Anforderungen realisiert werden. Durch Detailwissen von DINTEC in den Bereichen Elektrifizierung und elektrohydraulische Systeme, kombiniert mit der Qualität und Zuverlässigkeit der STW-Komponenten, konnte hier der Kunde umfangreich zufrieden gestellt werden.
Über DINTEC:
DINTEC ist bekannter System-Integrator für elektrische Antriebe und Hybrid Anwendungen in Europa. Die Firma steht für die Realisierung hochinnovativer Lösungen für mobile Maschinen abseits der Straße. Von seinem Firmensitz in Nantes, Frankreich, aus arbeitet DINTEC mit OEMs in den Bereichen Landwirtschaft, Bau, Bergbau, Materialtransport und mehr.
Über STW:
Als international tätiges Unternehmen unterstützt STW seit 30 Jahren seine Kunden, die weltweit führenden Hersteller von mobilen Arbeits-, Nutz- und Sondermaschinen und deren Anwender, bei der Nutzung der neuen technischen Möglichkeiten durch Automatisierung, Vernetzung und Elektrifizierung.
STW entwickelt, fertigt und vertreibt ein breites Portfolio an Produkten der Bereiche Messtechnik, Steuerung, Telematik und Elektrifizierung und implementiert dazu entsprechende Software vom BIOS über Protokolle bis zur Applikation.
Rechtlicher Hinweis:
Long Ma Jing Shen, wurde ursprünglich von “François Delaroziere & Cie La Machine” als Teil des Projektes “France China 50“ entwickelt und wird unterstützt durch das „Institut Français“.